Hier und jetzt
Zia. 48. Und sowas von durch mit dem Laden

Ich bin Zia. Und das hier ist mein Blog.
48 Jahre alt, geboren im Kanton Bern, gestrandet im Ämter-Asyl im Kanton Solothurn.
Schweizerin, offiziell. Aber mein Pass ist mittlerweile das Schweizerischste an mir.
Ich war das zweite von zwei Kindern, geboren in eine Familie, die Anfang der 80er Jahre gerade so den Aufstieg in die untere Mittelschicht geschafft hatte. Ein Ort, an dem der Käse selten dreifach gereicht wird und die Hoffnung auf „mehr“ meistens an der Budgetgrenze endet.
Mein Vater stammt aus einer kinderreichen Arbeiterfamilie in Biel – geboren im Cité Marie, einem Quartier, das selbst unter den Armen als „nicht so gut“ galt. Keine Heizung, kein warmes Wasser, aber reichlich Realität. Eine Ausbildung? Konnte er sich nicht leisten. Stattdessen: Fabrikarbeit bis zur Erschöpfung – für einen Monatslohn, der bestenfalls für den nächsten Monat reichte. Und als Dank: eine Uhr und ein feuchter Händedruck nach 35 Jahren Dienst.
Meine Mutter kommt aus dem Seeland. Ihre Eltern gehörten zur ausgebeuteten Unterschicht der Landwirtschaft – mein Grossvater war ein Verdingkind (aka: gratis Arbeitskraft mit Schlafplatz), meine Grossmutter eine Magd, die es immerhin zu einer hauswirtschaftlichen Lehre brachte – quasi die Bachelor-Ausbildung zur Hausfrau.
Dass alle vier Kinder meiner Grosseltern eine Berufslehre machen konnten, war ein kleines soziales Wunder. Besonders im Fall meiner Mutter: Mit neun an Polio erkrankt, neun Jahre im Krankenhaus, unzählige Operationen, ein Rücken wie ein anatomisches Modell. Ihre kaufmännische Lehre machte sie – logisch – im Spital. Und weil sie sich moralisch zu gut für eine IV fühlte, musste sie auch noch halbtags schuften. Willkommen in der Randzone der Mittelschicht – immer nur drei Rechnungen vom Ruin entfernt.
Geld war das Dauerthema meiner Kindheit. Und ich habe Jahre gebraucht, um zu kapieren, wie sehr meine Eltern gestrampelt haben, damit wir halbwegs über Wasser blieben. „Hart arbeitende Menschen“, sagt man so schön. Als wäre das ein Orden. Aber was hatten sie davon? Kein Eigentum. Keine Ersparnisse. Nur abgearbeitete Knochen und ein trauriges Würstchen vom Metzger zum 35-Jährigen.
Dieser Hintergrund ist wichtig, weil er mein Startpunkt war. Und unwichtig, weil er nicht länger definiert, wer ich bin.
Denn: Ich bin nicht mehr bereit, mir Stempel aufdrücken zu lassen.
Stigmatisierung hat mein Leben durchzogen wie ein roter Faden aus Schmirgelpapier.
Ich hab jahrelang versucht, in diese Schweizer Gesellschaft hineinzupassen, brav alle Erwartungen abzuarbeiten, mich zu biegen und zu falten, bis ich fast gerissen wäre.
Doch je mehr ich mich angestrengt habe, desto mehr Stigmata kamen dazu.
Ich passe hier einfach nicht rein. Und – Hand aufs Herz – ich will’s auch gar nicht mehr.
Ich bin keine gute Schweizerin. Alles, was hier als Tugend gilt – Stechuhr, Steuersäuberung, Sauberkeit bis zum Zwang – löst bei mir vor allem eins aus: Ausschlag.
Ich weigere mich, meine Lebenszeit weiter damit zu verbringen, den Profit irgendwelcher Unternehmen zu maximieren oder kaputte Systeme zu stützen. Der Kapitalismus, wie er hier betrieben wird, ist nichts weiter als ein hübsch verpackter Kannibalismus – und ich hab keinen Appetit mehr auf Menschenfleisch.
Ja, die Schweiz hat ihre schönen Seiten. Aber für Menschen ohne Geld ist sie kein Heimatland, sondern ein Hochsicherheitstrakt mit Alpenblick.
Und viele ihrer Bewohner – sorry not sorry – sind Snobs mit Verdrängungskompetenz auf Weltklasseniveau.
Deshalb habe ich beschlossen, den Stecker zu ziehen.
Mein Abenteuer „Migration light“ beginnt frühestens im Herbst 2025.
Seit April bin ich offiziell arbeitsscheu – freiwillig, erstmals seit Jahren – und es geht mir (Überraschung!) ziemlich gut damit.
Die Wartezeit ist trotzdem eine Herausforderung. Also schreibe ich. Um den Kopf frei zu bekommen. Um meinen eigenen Weg zu dokumentieren. Um mir ein bisschen Luft zu machen.
Und weil ich gedanklich sowieso schon längst meine Koffer packe – mit Sonnencreme, Sehnsucht und einer kleinen Portion Resthoffnung – auf ein Leben in Tunesien, vielleicht in Sousse, vielleicht irgendwo, wo ich wieder atmen kann.
Bleib dran, wenn du wissen willst, wie sich das alles entwickelt.
Oder lies mit, falls du dich auch manchmal wie ein Alien fühlst, das versehentlich in der Schweiz abgestürzt ist.
Gedankensplitter
Ein Manifest der stillen Selbstachtung

Ich bin nicht hier, um andere zu retten.
Ich bin nicht das Korrektiv ihrer Fehler.
Ich bin nicht das Echo ihrer Wut,
nicht die Müllhalde für ihr Unglück.
Ich bin kein Kind mehr.
Ich schulde euch keine Erklärung für meinen Rückzug.
Ich gehe nicht, weil ich zu empfindlich bin –
ich gehe, weil ich endlich empfindsam genug bin,
zu spüren, was mir nicht guttut.
Ich darf vermissen, was nie wirklich da war.
Ich darf trauern, ohne zurückzugehen.
Ich darf hoffen, ohne mich zu verbiegen.
Und vielleicht finde ich irgendwann
eine Seele, die mir ähnlich ist.
Aber bis dahin –
lebe ich gut.
Mit mir. Für mich. Als ich.
Videos
Gib mir die Welt plus 5 Prozent

Eine Rezension zum animierten Kurzfilm „Goldschmied Fabian“
Manche Videos sollte man nicht nur schauen – man sollte sie verinnerlichen.
„Gib mir die Welt plus 5 Prozent“ gehört für mich ganz oben auf die Liste jener Werke, die Pflichtstoff sein sollten. In Schulen. In der Ausbildung. Und vor allem in den Köpfen all jener, die sich fragen, warum unsere Welt so verdammt schief läuft.
Der Kurzfilm erklärt das Geld– und Zinssystem so anschaulich, dass man gar nicht anders kann, als sich an den Kopf zu greifen: Wie bitte konnte es so weit kommen? Und warum reden nicht alle ständig darüber?
Ich habe selbst für eine der ganz grossen Banken gearbeitet. Und ja – ich hasse Banken. Nicht aus ideologischer Verblendung, sondern aus Erfahrung. Unser Geldsystem ist zutiefst unethisch. Es ist ein System, das auf künstlicher Knappheit, Schulden und Abhängigkeit basiert. Das Wachstum erzwingt, wo längst genug wäre. Und das Krisen nicht verhindert, sondern zyklisch hervorbringt.
Das Video zeigt dies nicht mit Fachjargon, sondern mit Bildern, die hängen bleiben. Es erklärt, wie Geld „aus dem Nichts“ erschaffen wird – und warum genau dieses „Nichts“ in Form von Zinsen mehr zerstört als erschafft. Es macht deutlich, dass nicht alle gleichzeitig schuldenfrei sein können, weil das System selbst auf Schulden basiert. Es zeigt, warum der Zins nicht einfach eine neutrale Gebühr ist, sondern eine systemische Ungerechtigkeit mit Schneeballeffekt.
Wer nach dem Übel in der Welt sucht, findet hier eine zentrale Spur.
Schmerzhaft ist nur: Es scheint niemanden zu interessieren.
Oder besser gesagt: zu wenige, um die Richtung zu ändern.
Doch genau deshalb teile ich diesen Film.
Denn Aufklärung ist vielleicht kein Allheilmittel – aber sie ist ein Anfang.
Hier und jetzt
Lunas Summer Boot Camp

9 Wochen Disziplin, Liebe & Leberwurst
Vom 19. Juni bis 21. August machen Luna und ich ernst. Nicht, weil wir auswandern – sondern weil wir sonst auf der Stelle treten. Dieses Boot Camp ist unsere kleine persönliche Challenge, um den Grundstein für ein entspannteres Zusammenleben zu legen.
Dieser Beitrag dient mir als Trainingsplan, Gedächtnisstütze, Protokoll und Motivationshilfe. Wer mitlesen will, darf das gern tun. Aber ich schreibe ihn in erster Linie für mich – und für Luna.
🎯 Ziele des Boot Camps
- Verbesserung der Reizkontrolle bei Hundebegegnungen und Besuch
- Klare Alltagsregeln: Box, Maulkorb, keine Kontakte ohne Ruhe
- Gezielte Vorbereitung auf den Umzug (Stressmanagement & Umgebungstraining)
📜 Sofort-Massnahmen (ab 19.06.)
- Maulkorbpflicht bei allen Spaziergängen
Kein Wenn und Aber. Sicherheit und Klarheit für alle Beteiligten. - Tägliches Box-Training
Aktuell: 1× täglich Schleckmatte mit Leberwurst in der offenen Box. Über den Tag verteilt weitere Goodies. Ziel: Positive Verknüpfung & Aufbau zur geschlossenen Box mit Ruhephase. - Kein Kontakt zu anderen Hunden
Egal ob sympathisch oder nicht. Abstand halten, Ruhe belohnen. - Kein Kontakt zu Menschen, solange Luna nicht ruhig ist
Ignorieren wird zur wertvollen Unterstützung. Erst Kontakt, wenn sie runtergefahren ist – auf mein Signal hin. - Besuch nur angeleint
Luna bleibt angeleint, bis sie sich wirklich beruhigt hat. Kein wildes Begrüssen mehr. Auch nicht von ihren liebsten Menschen.
💊 Medikation mit Anxitane S
30 Tabletten – Einsatz geplant zur gezielten Unterstützung rund um den Umzug.
- Beginn: 22. Juli
- Wirkmaximum: ab ca. Mitte August (Reisezeit)
- Ausschleichen: ab 25. August, verteilt über einige Tage
📅 Wochenstruktur (ab KW 26)
Trainingsmodule rotieren täglich, angepasst an Tagesform und Wetter.
Modul | Ziel | Frequenz |
---|---|---|
Box-Training | Ruhig bleiben in geschlossener Box | 1× täglich |
Leinenroutine | Spazieren mit ruhiger Aufmerksamkeit | täglich |
Reizbegegnung | Distanz halten & ruhig bleiben bei Hunden/Menschen | alle 2–3 Tage |
Besuchsübung | Ruhe beim Kommen & Gehen | 1× pro Woche (wenn möglich) |
Targettraining | Selbstkontrolle & Fokussierung | 2× pro Woche |
Ruhetag | Kein aktives Training, nur Alltagsstruktur | 1× pro Woche |
Details zu den einzelnen Übungen folgen schrittweise als eigene Mini-Updates oder Checklisten, sobald Luna und ich sie erfolgreich integriert haben.
🍗 Belohnungssystem
Luna bekommt nicht einfach „ein Guetzli“, sondern:
- Alltagsbelohnung: normale Leckerli für einfache Kommandos
- High Value: Käsewürfel, Geflügelherz, Fleischdrops – bei mittlerem Reizniveau
- Jackpot: Leberwurst aus der Tube, Raclettekäse, frisches Rinderherz – bei maximaler Kontrolle in kritischen Situationen
Belohnungen werden rotierend eingesetzt – Langeweile killt Motivation.
🧠 Notizen, Updates & Anpassungen
Ich werde diesen Beitrag regelmässig erweitern – mit Fortschritt, Rückschlägen, neuen Erkenntnissen. Vielleicht wird das Boot Camp länger dauern. Vielleicht wird es chaotisch. Aber wir machen’s trotzdem. Weil wir’s können. Und weil es Zeit ist.
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