Ich weiss nicht, was mich geritten hat.
Vielleicht war es Trotz.
Vielleicht Müdigkeit.
Vielleicht die stille Erkenntnis, dass ein System, das dich zwingt, eine nutzlose Pflicht zu erfüllen,
sich irgendwann selbst ad absurdum führt, wenn man einfach stehen bleibt.
Es begann – wie so oft – mit einem Brief.
Und einem Stapel Papier, so dick, dass er wahlweise als Türstopper oder Grabbeilage hätte dienen können.
Die Ausgleichskasse, diese pflichtbewusste Verwaltungsentität mit dem Taktgefühl einer Steuererklärung, hatte mir aufgetragen:
„Bitte melden Sie sich beim RAV. Sie sind ja nur halbinvalide und daher… nun ja… bestimmt arbeitswillig.“
Also tat ich, was man in der Schweiz tut, wenn man funktionieren will:
Ich funktionierte.
Ich schleppte mich zum RAV. Ich sagte brav, dass ich auf Stellensuche sei. Ich nickte höflich, als mir jemand „Einstelltage“ androhte, weil ich es gewagt hatte, meine Würde zu retten und selbst zu kündigen.
Und dann?
Dann kam das Paket. Nicht von Amazon – sondern von der Arbeitslosenkasse.
Ein dickes, hämisch lächelndes Formularmonster.
Man spürte: Das war nicht für Menschen gedacht.
Das war für Leute mit Scanner, Jurastudium und fehlendem Selbsterhaltungstrieb.
Ich hätte es – wie immer – ausfüllen können.
Pflichtbewusst.
„Korrekt“.
Mit sauberer Handschrift und allen Belegen fein säuberlich beigefügt.
Aber da war etwas in mir, das plötzlich sagte:
„Nein.“
Nicht laut.
Nicht trotzig.
Einfach nur… stille Verweigerung.
Ich legte den Papierstapel beiseite.
Er wartete.
Ich wartete zurück.
Und heute – Wochen später – der Anruf vom RAV Plus:
„Frau Münch, wir haben Ihre Unterlagen geprüft. Sie haben gar keinen Anspruch auf Taggeld.“
Ich lächelte.
Mein innerer Bürokratie-Verweigerungs-General salutierte.
Mein Altpapiercontainer jubelte.
Das war der Tag, an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben ein amtliches Formular nicht ausgefüllt habe.
Und es stellte sich heraus:
Ich hatte es nie gebraucht.
Moral der Geschichte?
In der Schweiz ist nicht funktionieren manchmal die einzige Form, die funktioniert.